Donnerstag, 10. Januar 2008
letztens hat die stiftung topografie des terrors zum film am ende kommen touristen geladen. danach gab es ein gespräch mit dem regisseur und wortmeldungen aus dem rappelvollen publikum.

alles gute deutsche, die den film wunderbar fanden. -- ich fand ihn auch gut. -- die den film wunderbar fanden, ihn aber besser gemacht hätten. die den film wunderbar fanden und genau wussten, wie das alles ist -- mit der erinnerung, mit der jugend und dort in auschwitz. die den film wunderbar fanden und sich selbst am wunderbarsten von allen... alles gute deutsche.

das war schon schlimm. einen film gucken, ihn gutheißen und sich erhaben fühlen. ein ganzer raum voll. schulterklopfen.

irgendwann ließ sich dann der regisseur thalheim dazu hinreißen, ein paar anekdoten von den pol_innen, die vor ort was mit dem film zu tun hatten, zu erzählen. einige anekdoten handelten von erlebtem kleingeist und von verletztem stolz. andere handelten von mißtrauen und unverständnis, das sich nicht an der deutschen gegenwarts- und geschichtsaufarbeitung ausrichtet sondern sein kleines eigenleben führt. und was machen die guten deutschen? sie lachen. herzlich und eifrig und lauthals und glucksend. ein schenkelklopfer nach dem anderen. die polen sind schon doof. die polen verstehen nicht. die polen sind nur auf sich bedacht. die polen...

da war mir ganz anders und gar nicht lustig. da war mir nach kotzen.

am ende kommen touristen von robert thalheim (der ansonsten ganz reflektiert daherkam) brought to me by stiftung topografie des terrors.

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Alles aufgearbeitet - nichts gelernt!
Solche "Experten der Geschichts-Aufarbeitung" tauchen in letzter Zeit vermehrt auf, und sind nur das Ergebnis jahrelanger Einstimmung auf das neue deutsche Selbstbewusstsein: Walser-Rede in der Paulskirche, Fischers Auschwitz-Vergleiche beim Bombardieren Serbiens, nationaler Freischein bei der Fußball-WM etc. Schwarz-Rot-Geil halt. Und morgen „Heil“.

Es ist dabei natürlich hinlänglich bekannt, dass das Thema Auschwitz nicht nur in Deutschland, sondern in Polen instrumentalisiert wird und dies eng verbunden ist mit der aktuellen Geschichtspolitik, die unter den Kaczynski bzw. Schröder-Fischer zur vollen Entfaltung kam. Nie zuvor hat man Geschichte so gezielt zur Legitimation aktueller Außenpolitik benutzt. Die Deutschen in ihren Angriffskriegen, die Polen in ihrer Ost-Politik gegenüber Russland und als Alibi in der EU.

Zuvor schien es ja eher nur ein Metier von Rechtsextremisten zu sein in beiden Ländern ... jetzt ist der Bio-Laden-PrenzelbergerIn auch mit dabei... und der Viadrina Student der Donald Tusk gewählt hat...

Ich glaube jedoch nicht das der Film von Thalheim auch ein Trittbrettfahrer dieser Entwicklung ist, sondern im Gegenteil Thalheims Versuch sich der Thematik zu nähern ausgenutzt wird, über die Zuschreibung "Deutscher Regisseur spricht über Auschwitz" ... also auf einem Gebiet wo die Deutschen einfach die Klappe zu halten haben…

Könnte sein, dass es bei der Veranstaltung aber genügend "aufgeklärte Deutsche" gab, welche die durchaus kritikwürdige Geschichtspolitik in Polen, die wohl bei der Veranstaltung zur Sprache kam dazu benutzen, an dem seit 2-3 Jahren modischen Polen-Bashings teilzunehmen... bei dem haben sich ja selbst sog. Linke beteiligt. Bestes Beispiel ist hier insbesondere die taz, die sich auf dem gebiet in den letzten Jahren hervorgetan hat... ohne jedoch irgendwelche Kompetenzen vorweisen zu können oder ein differenziertes Bild der polnischen Gesellschaft zu versuchen, frei nach dem Motto: "Polen sind Homophobe und Antisemiten“... da können wir großen 68-Deutschen ja nicht mehr so schlecht sein…wir haben ja alles dekonstruiert und lassen uns unseren Woihlstands-Rassismus nicht einfach so unter die Nase reiben". In Frankreich nennt man solche Linke längst Neoreac (Neoreaktionäre). Und ein besseres Armutszeugnis konnte sich die Pseudo-Linke damit nicht ausstellen.

...und so ist es allein über die Kritik an den polnischen Zuständen, nun möglich die deutschen weißzuwaschen... und für ein "neues gesundes Verständnis von Geschichte" zu werben und dieses so zu legitimieren. Und wenn der Saal das toll fand, dann zeigt es nur wie weit gesellschaftlich dies akzeptiert ist... selbst in den Berliner Kreisen der Polonophilen.


Hier noch was zu Geschichtspolitik in Polen:

http://www.freitag.de/2007/17/07170701.php

http://www.freitag.de/2006/50/06500301.php

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@alima: danke für deinen kommentar und deine einordnung.

ich bin da sehr ärgerlich rausgegangen aus der veranstaltung. ein großer teil des publikums hat so selbstverständlich über "die pol_innen" abgelacht und schien gleichzeitig so selbstgefällig und selbstzufrieden, ob der aufarbeitung von geschichte... der begriff "polen-bashing" trifft es mehr oder weniger.

die kritik gilt jedoch nicht dem film und dem regisseur nur insofern, als dass er die anekdoten für die lacher geliefert hat und meiner meinung nach die stimmung im saal "falsch" eingeschätzt hat...

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